Kein Deutsch, kein Problem?!
Marthe Hammer, wie rettet Dolmetschen im Krankenhaus Leben?
Eine medizinische Notfallsituation ist schon belastend genug – doch wie fühlt es sich an, wenn man sich aufgrund von Sprachbarrieren nicht verständigen kann? Im Podcast “Heile Welt” spricht Pia Schüler mit Marthe Hammer, Geschäftsführerin von Triaphon, einem innovativen Dienst für telefonische Sprachmittlung. Gemeinsam erkunden sie, wie Triaphon Patient*innen und medizinischem Personal ermöglicht, Sprachbarrieren zu überwinden und so eine sichere und einfühlsame Versorgung für Alle zu gewährleisten.
Pia: Hi, hier ist Pia und bevor es losgeht mit der Folge, wollte ich euch das Neueste aus dem Hause Heilewelt vorstellen. Es gibt nämlich einen Newsletter, der euch einmal im Monat kurz und knackig weiterführende Infos zu den einzelnen Folgen sowie eine Sneakpeak, wen wir als nächstes vorm Mikro haben liefert und auch immer Einblicke von uns, was uns als Hosts und Redaktionen so in der Folge beschäftigt hat. Abonnieren könnt ihr den Newsletter auf unserer Webseite www.heileweltpodcast.com, schaut gerne mal vorbei und meldet euch an, wir freuen uns.
(Intromusik im Hintergrund)
Hi, willkommen zu einer neuen Folge von Heilewelt, dem Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Ich bin Pia, Ärztin und spreche hier mit den Menschen, die die Medizin nicht nur verbessern möchten, sondern es bereits tun. In unseren Gesprächen tauchen wir in die Welt medizinischer Vorreiter:innen ein und hören, für welche Visionen sie brennen. Stellt euch zum Beispiel eine Welt vor, in der alle Menschen, egal welche Sprache sie sprechen, in einer Notfallsituation mit dem Gesundheitspersonal sprechen können und so keine Sorge mehr davor haben müssen, dass ihre fehlende Sprachkenntnis für sie richtig gefährlich werden kann. An dieser Vision arbeitet Marthe Hammer, Marthe Hammer ist Sprachwissenschaftlerin und Geschäftsführerin bei Triaphon, einer telefonischen Sprachmittlung, die 24/7 erreichbar ist und Patient:innen mit Sprachbarrieren eine richtige Verständigung ermöglicht, sei es in der hektischen Notaufnahme oder bei wichtigen medizinischen Gesprächen. Inzwischen umfasst das Team von Triaphon circa 140 Dolmetscher:innen für die häufigsten benötigten Fremdsprachen, wie zum Beispiel Arabisch, Türkisch, Ukrainisch oder auch Farsi.
Wie frustrierend das sein kann, in einer Notfallsituation unter Zeitdruck wichtige Informationen über eine Patientin zu benötigen, um dann weitere Diagnostik- oder Therapieschritte einzuleiten und aufgrund einer Sprachbarriere hilflos dazustehen, weiß ich als Ärztin in einem Kölner Krankenhaus nur zu gut. Wie es aber den Patient:innen auf der anderen Seite gehen muss, wie viel Unsicherheit und Angst in so einer sprachlosen Situation vorliegen muss, kann ich mir letztendlich nur ausmalen. Ich habe mich deswegen sehr gefreut auf das Gespräch und war total happy zu sehen, wie strukturell gut das Ganze schon funktioniert, wie häufig das schon angewendet wird und gleichzeitig aber auch ein bisschen frustriert, an welchen Schritten es dann doch noch scheitert, dass es wirklich flächendeckend eingesetzt werden kann und ich vielleicht auch in meiner Klinik Triaphon bald benutzen kann.
Hi Marte, wie geht's dir? Wie war dein Tag bisher? Schön, dass es heute geklappt hat, dass du da bist. Wie geht's dir?
Marthe: Hi Pia, ja ich freue mich auch. Mir geht's ganz gut.
Ich bin ein bisschen erkältet, habe privat viel um die Ohren, beruflich auch, aber ja, hier schneit es heute und mir geht's gut. (Pia: Wow.) Hoffe dir auch.
Pia: Ja, das Wetter ist bei uns hier ziemlich regnerisch, aber noch kein Schnee, aber dann ist es ja eine richtige Winterfolge heute.
Marthe: Ja, die erste dieses Jahr. (beide lachen)
Pia: Um eine Lanze direkt zu brechen für eure Arbeit bei Triaphon und klarzumachen, wie wichtig eure Arbeit ist, will ich direkt erst mal gerne zu Beginn von dir wissen, ob du von einem besonders eindrücklichen Fall berichten kannst, bei dem die Arbeit von Triaphon einen entscheidenden Unterschied gemacht hat.
Rund um die Uhr – Wie funktioniert Triaphon?
Marthe: Ja, also ich glaube, es gibt ganz, ganz viele. Ein Beispiel, was mir jetzt spontan einfällt, ist Triaphon wird auch im Rettungsnotruf eingesetzt -also bei der Notrufleitstelle und da kam es kürzlich zu einem Fall, wo ein Anrufer, also ein Patient, suizidgefährdet war und auch dank unserer Sprachmittlung ist es am Ende gelungen, den Mann davon abzuhalten, Suizid zu begehen, weil man eben durch Triaphon auf seiner Sprache auf ihn einwirken konnte. Das ist ein besonderes Ereignis gewesen, aber ich kenne auch viele Fälle aus der Kinderversorgung, wo Kinder einfach schwer krank sind und wo es ganz, ganz wichtig ist, mit den Eltern natürlich vernünftig zu sprechen und ihnen auch die Vorgänge gut zu beschreiben.
Pia: Ja, auf jeden Fall. Gerade sowas wie psychische Erkrankung, das ist natürlich, also Kommunikation ist im Gesundheitswesen sowieso immer Key, aber da ist es natürlich auch die ganz klare Therapie, die davon entscheidend abhängt. Um hier alle mitzunehmen, kannst du noch mal so ganz grob erklären, was Triaphon eigentlich ist, beziehungsweise für welchen Use-Case Triaphon so entwickelt wurde, in welchen Situationen werdet ihr häufig hinzugezogen? Wie geht das?
Marthe: Ja, total gern. Also Triaphon ist ein gemeinnütziger Dolmetschdienst von Ärztinnen und Ärzten gegründet, 2017, und das Ziel unserer Arbeit ist natürlich, die medizinische Versorgung von Menschen mit Sprachbarriere, also von Menschen, die nicht ausreichend gut Deutsch sprechen, zu gewährleisten und zu verbessern. Und wir bieten telefonische Sprachmittlung für zehn unterschiedliche Sprachen an, und das Besondere an Triaphon ist eigentlich unsere ständige Verfügbarkeit. Also unser Telefondienst ist rund um die Uhr, Tag und Nacht, auch am Wochenende an Feiertagen erreichbar.
Und so ist es möglich, dass das medizinische Personal eben auch nachts in Akut- oder Notsituationen bei uns eine Sprachmittlung anfragen kann. Es funktioniert so, dass der Arzt, die Ärztin oder die Pflegekraft über eine zentrale Rufnummer unseren Dienst anwählt, dann per Tastendruck die benötigte Sprache auswählt und dann innerhalb von Sekunden mit einer Sprachmittlerin oder einem Sprachmittler verbunden wird. Und ja, diese ständige Verfügbarkeit macht den Einsatz natürlich besonders attraktiv für zum Beispiel Notaufnahmen oder andere medizinische Bereiche, wo man nicht immer gut vorab planen kann, welcher Patient oder welche Patientin vorstellig wird.
Insofern sind diese Notsituationen ein klassischer Einsatzbereich für unseren Sprachmittlungsdienst, aber auch alle anderen medizinischen Gespräche, die eben vorab schwer planbar sind und wo schnell eine Sprachmittlung benötigt wird.
Pia: Ja, ja. Und wer sitzt an der anderen Leitung? Also du hast jetzt von Sprachmittler:innen gesprochen. Wie kann man sich das vorstellen? Wer ist das so?
Marthe: Ja, das sind insgesamt ungefähr 140 Personen. Das ist unsere Sprachmittler-Community. Die sind deutschlandweit verteilt, also dezentral organisiert.
Das sind Menschen, die zum allergrößten Teil zweisprachig aufgewachsen sind, also Deutsch und die jeweils andere Sprache auf sehr hohem, gutem Niveau beherrschen. Und die Motivation bei Triaphon zu Dolmetschen ist sehr unterschiedlich. Viele haben selber als Kind erlebt, was Sprachbarrieren bedeuten und was es auch bedeutet, vielleicht für die eigenen Eltern ständig dolmetschen zu müssen.
Einige unserer Sprachmittler:innen sind selbst im medizinischen Bereich beruflich tätig und wollen darüber hinaus an anderer Stelle eben noch unterstützen mit ihrer Sprachkenntnis. Und genau, die werden von uns für den Einsatz bei Triaphon geschult und vorbereitet. Die Sprachkenntnis wird natürlich geprüft.
Es werden Verhaltensregeln des Telefondolmetschens vorab mitgegeben. Und insofern ist der Einsatz bei Triaphon eigentlich von überall in Deutschland mit entsprechenden Sprachkenntnissen möglich.
Pia: Und dann kann ich mir das so vorstellen, dass man quasi als Sprachmittler:in eine Schicht hat und zu der Zeit dann telefonisch verfügbar ist? Oder wie baut ihr sowas auf?
Marthe: Ganz genau, ja. Wir haben ein digitales Schichtsystem. Das ist letztendlich wie eine App. Da können sich die Sprachmittler:innen über ihren Account einwählen und mit ein paar Tagen im Voraus ihre Schichten planen, also sich für freie Schichten einteilen.
Wir achten darauf, dass rund um die Uhr für jede Sprache mindestens zwei Sprachmittler:innen auf Schicht sind. Meistens sind es aber noch ein paar mehr. Und genau, pro Schicht - also eine Schicht dauert drei Stunden -und in dem Zeitraum sollte die Person eben telefonisch erreichbar sein, die Anrufe dolmetschen und sich in einer Umgebung aufhalten, wo er oder sie eben gut telefonieren kann mit Ruhe.
Pia: Wie ist das denn mit der Bezahlung? Also ist das sowas, dass die Leute das ehrenamtlich machen, weil sie eben so eine intrinsische Motivation haben, vielleicht in ihrer Geschichte auch ähnliche Konfliktsituationen im Gesundheitswesen schon hatten? Oder wie kommen die Leute dazu?
Marthe: Ja, das hat sich in den letzten Jahren ein kleines bisschen verändert. Also als Triaphon gegründet wurde, basierte das eigentlich größtenteils auf ehrenamtlichem Engagement. Jetzt im Laufe der Jahre hat sich das ein bisschen verschoben. Die meisten sind auf freier Basis, auf freier Mitarbeit für uns tätig. Also das sind nicht unsere Angestellten.
Die werden aber vergütet. Und einige wenige machen das nach wie vor ehrenamtlich und erhalten dafür lediglich eine Art Aufwandsentschädigung von uns für ihren Einsatz.
Pia: Ja, und jetzt ist natürlich im medizinischen Kontext immer so der Datenschutz ein sehr hohes Gut, zu Recht. Und das finde ich auch eigentlich eines der genau wichtigen Knackpunkte, warum Triaphon so wertvoll ist, weil es eben nicht eine Person benötigt, die vielleicht in einer familiären Beziehung steht oder in einer freundschaftlichen Beziehung steht zu dem Patient oder der Patientin, was halt schon immer Konfliktsituationen oder auch Interessenskonflikte oder Dinge, die man halt einfach nicht sagen möchte, mit sich bringt. Wie kannst du dazu was sagen, wie das bei euch ist?
Sprachmittlung mit Schweigepflicht: Datenschutz bei Triaphon
Marthe: Ja, total wichtiges Thema, da werden wir natürlich auch häufig darauf angesprochen. Also genau, Triaphon soll natürlich dafür sorgen, dass nicht unbedingt Angehörige, insbesondere Kinder dolmetschen müssen, dass nicht zufällig anwesendes Klinikpersonal hinzugezogen wird oder man sich irgendwie pantomimisch verständigt.
Bei uns ist gewährleistet, dass alles im datenschutzkonformen Rahmen abläuft, also die Gespräche verlaufen grundsätzlich anonym. Alle am Gespräch Beteiligten sind anonym, das heißt Arzt, Ärztin, Pflegekraft nennt sich im besten Fall nicht mit Namen und nennt auch nicht die Einrichtung, aus der er oder sie anruft. Nach Möglichkeit sollten auch keine Patientendaten mitgeteilt werden und unsere Sprachmittler:innen melden sich eben auch anonym. Die stehen zudem unter Schweigepflicht, das heißt, das, was besprochen wird, bleibt auch dort im geschützten Raum und wir können eben anhand unserer Metadaten hinterher schon zuordnen, welche Klinik oder welche medizinische Einrichtung hat mit wem von unseren Sprachmittler:innen gesprochen, für welche Sprache und wie lang. Also diese Metadaten können wir in unserem System sehen, die Gespräche werden aber nicht aufgezeichnet, insofern wissen wir natürlich auch nicht, was in diesen Gesprächen besprochen wird.
Pia: Als Ärztin, die selbst im Gesundheitswesen arbeitet, finde ich das Ganze mega wichtig.
Wir benutzen das bei uns in der Klinik tatsächlich nicht oder es ist mir noch nicht über den Weg gelaufen. Da würde ich auch später gerne noch wissen, wie wir das vielleicht ändern könnten. Für mich ist so die Idee relativ klar, dass es einen mega großen Use-Case gibt für euch als Anforderung. Wie seid ihr denn aber auf die Idee gekommen, beziehungsweise wenn die Idee vielleicht relativ schnell auf der Hand lag, wie seid ihr dazu gekommen, das auch wirklich in die Tat umzusetzen?
Triaphon: Von der Idee zur Umsetzung
Marthe: Ja, also das Gründungsteam ist mittlerweile nicht mehr im Tagesgeschäft von Triaphon aktiv, sondern eher im Hintergrund beratend für uns tätig, die Kinderärztin und der Allgemeinmediziner, die die Idee damals hatten und dann Triaphon aufgebaut haben, waren zu dem Zeitpunkt selbst im medizinischen Beruf und haben eben gemerkt, dass es an Dolmetscher:innen fehlt, insbesondere an welchen, die schnell und spontan verfügbar sind. Und denen war aus dem Ausland bekannt, ich glaube aus den USA, dass es dort so eine Art Hotline gab, über die eben rund um die Uhr Dolmetscher:innen erreichbar waren. Und das haben sie sich eigentlich zum Vorbild genommen, um sowas auch für Deutschland oder für den deutschsprachigen Raum zu entwickeln. Und ja, die Idee dahinter war natürlich auch, dass wir die große Ressource, die wir ja in Deutschland haben, also hier leben ja sehr, sehr viele Menschen, die neben Deutsch noch eine andere Sprache gut beherrschen, dass man diese Menschen eigentlich für die Sprachmittlung gewinnen kann und ja, dass man deren Bilingualität super gut einsetzen kann für diejenigen, die eben noch nicht ausreichend gut Deutsch sprechen.
Pia: Ich kann mir das auch sehr gut vorstellen, weil mich fragen ja auch manche Leute so, dass der Job relativ anstrengend ist und warum man das macht oder wie gut man sowas wegstecken kann. Und ein Grund ist ja, dass man im Gesundheitswesen auch extrem viel Dankbarkeit zurückbekommt von den Patienten und Patientinnen.
Und das kann ich mir wiederum auch sehr gut vorstellen, so wie du gesagt hast, dass das ja eine Ressource ist, die man relativ einfach nutzen kann, man ja auch wirklich ziemlich flexibel ist, wo und wann man das Ganze macht und aber wirklich einen riesengroßen Unterschied macht für die Leute. Also ich hatte das auch schon mal in der Notfallsituation oder ja, nicht nur einmal, verschiedenste Notfallsituationen. Man ist einfach wirklich sehr, sehr dankbar, wenn man eine Information dann bekommt.
Und das ist ja auch nicht nur was mit Dankbarkeit zu tun, sondern es ist auch wirklich sonst gefährlich. Also Informationen, die fehlen, können ja auch gewisse Schritte unnötig machen oder zu viel machen oder Medikamenten, Wechselwirkungen oder was auch immer. Also das ist schon ultra essentiell.
Marthe: Ja, absolut. Und ich glaube, wenn man sich mal selber in die Lage versetzt, dass man vielleicht im Urlaub oder während eines Auslandsaufenthaltes irgendwie erkrankt und dort in die Notaufnahme muss oder dort zum Arzt, zur Ärztin muss und die Sprache überhaupt nicht beherrscht und sich dann irgendwie artikulieren muss, was für eine Erleichterung es sein kann, wenn jemand anwesend ist oder jemand dazugeschalten werden kann, der oder die vermitteln kann. Also das ist wirklich wahnsinnig kostbar und genau nicht nur für die Patient:innen, sondern natürlich auch für die Mediziner:innen, die gut behandeln müssen und möchten und die ja auch in einer Aufklärungspflicht stehen dem Patienten gegenüber.
Und insofern profitieren, glaube ich, alle Seiten davon, wenn gut kommuniziert wird.
Pia: Kannst du nochmal erzählen, vor welchen Herausforderungen ihr dann standet, das Ganze wirklich auf die Straße zu bekommen, also in die Praxis zu integrieren, wie das abgelaufen ist? Genau, also zum Zeitpunkt, wo alles gestartet ist, war ich selber noch gar kein Teil von Triaphon. Aber im ersten Schritt ging es natürlich darum, genügend Sprachmittler:innen zu finden, zu rekrutieren, zu schulen, um dann eben auch diese ständige Verfügbarkeit gewährleisten zu müssen.
Denn das war von Anfang an die Idee, dass Sprachmittlung eben immer und schnell verfügbar sein sollte. Das Sana Klinikum Berlin-Lichtenberg, das ist unser Pilothaus, da wurde Triaphon dann anfangs eingesetzt und erprobt und das hat natürlich total geholfen, das in die Praxis zu bringen und zu schauen, wie gut es funktioniert. Ich glaube, dass die Herausforderung von Sprachmittlung oder von Sprachbarrieren damals wahrscheinlich ähnlich war wie jetzt, dass aber inzwischen das Bewusstsein dafür gewachsen ist und man vielleicht nicht mehr unbedingt so viel darüber debattiert, ob es Sprachmittlung braucht, sondern heute spricht man, glaube ich, eher darüber, wie kann man das sicherstellen, wie können wir das finanzieren? Also da haben sich, glaube ich, schon auch die Fragestellungen ein bisschen verändert, was das vielleicht am Anfang ein bisschen erschwert hat, dass man mit diesem Thema erst mal den Fuß in die Tür bekommen musste.
Pia: Also wir haben bei uns in der Klinik beispielsweise eine Liste, wo dann draufsteht, wer im Krankenhaus auf welcher Station oder welchem Fachbereich welche Sprache noch zusätzlich spricht, um dann quasi angefunkt oder antelefoniert zu werden, wenn die Person benötigt würde. Also ich glaube irgendwie, dass man das gebraucht hat, war eigentlich immer schon klar, nur die Problemlösung damit ist wirklich mehr schlecht als recht, jedenfalls bei uns. Kannst du sagen, wie viele Kliniken aktuell Triaphon einsetzen, habt ihr da eine Übersicht?
Warum improvisierte Lösungen bei Sprachbarrieren problematisch sind
Marthe: Ja, vielleicht vorab auch noch kurz, also das höre ich ganz häufig, dass es diese Listen gibt und man dann irgendwie auf gut Glück da rumtelefoniert und hofft, dass die Person gerade im Dienst ist und erreicht ist und dass das natürlich auch in vielfacher Hinsicht problematisch ist.
Also zum Ersten ist die Person nicht dort angestellt, um zu dolmetschen. Zweitens wird sie dann ja auch von ihren eigentlichen Aufgaben in dem Moment weggerissen, was ja auch bei Fachkräftemangel und so auch eigentlich schwierig ist. Und ja, Themen wie Datenschutz und so weiter sind damit natürlich auch überhaupt nicht beachtet.
Also das ist schon problematisch, dass es vielerorts so gemacht wird. Ich verstehe warum, weil es vielleicht vor Ort eine schnelle und einfache Lösung ist, aber ideal ist es sicherlich nicht. Genau, wir sind deutschlandweit und auch in Österreich in ungefähr 180 medizinischen Einrichtungen vertreten. Kliniken dürften so ungefähr 50 sein. Wir haben auch eine Menge Praxen mittlerweile mit Triaphon ausgestattet, aber auch andere Gesundheitseinrichtungen, zum Beispiel von den Maltesern oder der Caritas, also Anlaufstellen auch für Menschen ohne Versicherungsschutz oder ohne festen Wohnsitz. Genau, das ist relativ unterschiedlich, wo Triathlon eingesetzt wird.
Pia: Ja, und wie viel werdet ihr so täglich oder im Jahr genutzt? Kannst du da eine Übersicht geben?
Marthe: Ja, also aktuell, ich kann es mal pro Monat sagen, weil ich die Zahl jetzt parat habe, wir dolmetschen ungefähr 2000 Anrufe pro Monat. Das sind so die aktuellen Zahlen, plus, minus ein bisschen. Und seit Gründung ist der Bedarf auch wirklich immer weiter gestiegen bzw. die Nutzung ist weiter gestiegen. Wir haben natürlich auch im Laufe der Jahre immer mehr Nutzerinnen und Nutzer dazu gewonnen und insofern sehen wir auch eine Kurve der Anrufzahlen, die auch nach oben zeigt.
Pia: Ja, und jetzt ist ja so ein bisschen der Elefant quasi im Raum, wie das Ganze sich finanziell trägt bzw. du hast zu Anfang gesagt, ihr seid gemeinnützig und jetzt würde man ja denken, wieso benutzen nur beispielsweise 50 Kliniken in Deutschland euch, wenn das eigentlich eine Lösung ist, die viel mehr Sinn macht als beispielsweise eine Telefonliste in einem Krankenhaus?
Investieren in Inklusion:
Warum Sprachbarrieren uns teurer zu stehen kommen
Marthe: Ja, sehr gute Frage. Also Gemeinnützigkeit wird oft damit gleichgesetzt, dass es kostenlos ist und das ist es leider nicht. Die Nutzerinnen und Nutzer zahlen für den Dienst, allerdings decken diese Einnahmen, die wir dadurch generieren, nicht unsere Ausgaben, weshalb wir nach wie vor auf Fördermittel und Spenden zurückgreifen müssen.
Also wir finanzieren uns eben aus Förderungen und den Einnahmen. Je nachdem, um welche Einrichtung es sich handelt, haben wir unterschiedliche Preismodelle. Also eine kleine Hausarztpraxis zahlt einen anderen Betrag als eine große Klinik beispielsweise.
Das gucken wir uns immer individuell an, wenn wir eine Anfrage erhalten. Und leider ist es ja nach wie vor so, dass es keine gesetzliche Verankerung der Leistung gibt. Also die Kassen zahlen das nicht, auch keine andere öffentliche Stelle zahlt Sprachmittlung.
Und insofern müssen dann doch letztlich die Einrichtungen Geld dafür in die Hand nehmen, um gute Sprachmittlung vorzuhalten. Also wenn es wirklich quasi die Klinik oder die Praxis- ist es nicht so, dass es mal Situationen gibt, wo die Leute, die selbst das Sprachproblem haben oder die Sprachbarriere haben, sagen, es gibt ja diesen Dienstleister hier, können wir das nicht dazuschalten?
Marthe: Nee, tatsächlich nicht. Das liegt auch daran, dass unser Dienst quasi nicht nur in Einzelfällen genutzt wird, sondern wir schließen mit den Einrichtungen Verträge ab, sodass unser Dienst dann dort fest für alle zur Verfügung steht. Und insofern geht das immer von der Einrichtung aus und nicht vom Patienten oder der Patientin. Also er oder sie, der Patient oder die Patientin kann eben nicht mit unserer Telefonnummer einfach irgendwo hingehen und dann anrufen. Das funktioniert leider nicht. Die Rufnummern, die bei uns durchkommen, müssen auch vorab bei uns registriert und freigeschaltet sein. Somit können wir eben auch kontrollieren, wer eigentlich bei uns anruft. Und auch hier spielt das Thema Datenschutz eine Rolle. Ja, wir wollen eben auch sichergehen, dass diejenigen, die Triaphon nutzen mit den Datenschutzregeln vertraut sind. Und insofern richten wir uns da an die Einrichtungen und sprechen nicht direkt die Patientinnen und Patienten an.
Pia: Ja, jetzt ist es ja so ein bisschen so, dass das super ist und eigentlich auch als strukturelle Maßnahme umgesetzt werden könnte. Du hast jetzt gesagt, die Krankenkassen zahlen das nicht. Wenn ich zum Beispiel gucke auf Menschen, die gehörlos sind, bei denen weiß ich, dass ist zwar mit viel organisatorischem Aufwand verbunden, aber diese Menschen haben ein Anrecht, dass sie auch bei Gesundheitsbesuchen, also Arztterminen eine Person haben, die für sie dann dolmetscht quasi. Wieso ist das so nicht? Beziehungsweise, was würdet ihr euch wünschen oder woran vielleicht arbeitet ihr auch gerade, dass das irgendwann die Realität wird?
Marthe: Ja, also genau, für Gebärdensprachdolmetscher:innen ist das eben gesetzlich geregelt. Wie du sagst, ich glaube, das ist immer noch relativ aufwendig, die dann auch einzubestellen und abzurechnen und so weiter. Aber da sind wir einen Schritt weiter.
Pia: Genau, das ist auch mit viel immer mit Vorleistung. Wir gucken dann auch immer bei uns in der Sprechstunde, dass wir Termine immer direkt dann so einhalten, die vorziehen oder so, dass das auf jeden Fall - weil die natürlich jetzt nicht drei Stunden da sitzen können mit ihren Dolmetscher:innen - aber ja.
Marthe: Genau, macht das Ganze natürlich auch schwierig, wenn man ungeplant vorstellig wird, wenn es immer eine Vorlaufzeit braucht, um das Ganze zu organisieren. Ein bisschen so ist es vielleicht auch im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Die Menschen, die darunter fallen, haben einen etwas anderen Anspruch auf Sprachmittlung. Also die können beim zuständigen Amt einen Dolmetscher oder eine Dolmetscherin beantragen und das Amt kann es dann bewilligen. Also es ist insofern auch kein richtiger Anspruch, denn es kann auch abgelehnt werden.
Aber in gewissen Situationen und bei notwendigen Behandlungen, was auch immer das ist, kann das eben dann bewilligt werden. Aber auch das natürlich nur mit der vorherigen, also mit der Vorlaufzeit, die man dann braucht, um das bewilligen zu lassen. Genau und das Beispiel der Gebärdendolmetscher:innen, wir haben uns das natürlich angeschaut, weil das für uns auch sehr interessant ist mit Blick auf unsere eigenen Bemühungen.
Also sich anzuschauen, wie es eigentlich gelungen ist, dass dieser Personengruppe die Leistung zusteht und ob man da vielleicht Parallelen ziehen kann oder Argumentationen übernehmen kann, um die Leistung eben auch für nicht deutschsprachige Patient:innen verfügbar zu machen. Unser Wunsch wäre natürlich, dass die gesetzlichen oder auch die privaten Krankenkassen das vergüten. Idealerweise aber auch darüber hinaus die Leistung zur Verfügung steht, weil es ja auch in Deutschland viele, viele Menschen gibt, die gar nicht krankenversichert sind und die ja aktuell auch in vielen Einrichtungen von Triaphon profitieren. Und dieser Personengruppe würde es insofern ja gar nichts bringen, wenn es eine Kassenleistung wäre, da sie gar nicht bei der Kasse versichert sind. Also deshalb in einer idealen Welt wäre es nicht nur eine Krankenkassenleistung, sondern eben auch eine Leistung, die anderen Personengruppen, also den Menschen, die nicht versichert sind, auch zustehen könnte. Ja, jetzt ist die Ampelregierung gerade zerbrochen, was die politische Situation auch nochmal ein bisschen neu macht. Die Regierung hatte sich eigentlich im Koalitionsvertrag vorgenommen, dass Sprachmittlung ins SGB V aufgenommen wird, was dann bedeuten würde, dass es eine gesetzliche Verankerung auch für die Finanzierung gäbe. Wir haben auch in den letzten zwei, drei Jahren mit Politiker:innen zu dem Thema gesprochen und uns sehr dafür eingesetzt, dass dieses Vorhaben auch umgesetzt wird. Es gab dann schon ein paar Schritte in die richtige Richtung, die sind dann teilweise wieder zurückgegangen oder verworfen worden.
Und jetzt kürzlich wurde zum GVSG, gab es eine Anhörung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz. Das ist so ein Sammelgesetz und in dem hatten wir eigentlich jetzt die letzte Hoffnung gesehen, dass Sprachmittlung enthalten sein könnte, also dass man die Sprachmittlung als Teil dieses Gesetzes verankert. Aufgrund der aktuellen Lage der Minderheitsregierung ist aber total unklar, wie das jetzt weitergeht.
Und selbst wenn die Sprachmittlung darin jetzt noch enthalten ist, ob es überhaupt gelingen kann, dieses Gesetz auch zu verabschieden, da es dann ja die Stimmen der Opposition braucht. Und ich schätze mal, dass jetzt nicht mehr allzu viele Gesetze durchgewunken werden können nach Bruch der Koalition. Also das ist gerade ein bisschen, da stehen wir auch von einer neuen Situation.
Pia: Mhm, heißt ihr macht neben dem ganz Praktischen, wie ihr euch aufstellt, wie ihr neue Sprachmittler:innen dazugewinnt und solchen Dingen auch politische Hintergrundarbeit ganz konkret?
Marthe: Genau, also wie gerade beschrieben, versuchen wir da einfach mit den relevanten Akteur:innen und Entscheidungsträger:innen auch ins Gespräch zu gehen, aufzuzeigen, warum das wichtig ist. Oftmals herrscht so die Annahme vor, dass Sprachmittlung total viel kostet. Wir versuchen auch immer darauf hinzuweisen, dass natürlich aufgrund von Sprachbarrieren auch Fehlbehandlung, Überbehandlung, Unterbehandlung stattfindet, Menschen vermehrt vorstellig werden, die Compliance irgendwie leidet, weil die Leute gar nicht verstanden haben, was sie wann einnehmen müssen oder wie sie sich zu verhalten haben. Also es gibt eigentlich genug Grund auch zur Annahme, dass Sprachmittlung längerfristig auch Kosten einsparen kann im Gesundheitssystem. Und genau solche Argumente und viele andere versuchen wir natürlich auch der Politik deutlich zu machen, um unseren Teil dazu beizutragen, dass es vielleicht irgendwann in den kommenden Jahren eine Gesetzesänderung geben wird und Sprachmittlung dann allen Menschen zur Verfügung steht.
Pia: Ja, also das wäre auf jeden Fall auch meine Idealvorstellung, weil es ist wirklich, es wird immer auch in der Übergabe bei uns übergeben, wer welche Sprache spricht beziehungsweise, wen - die Patientin kann noch den und den anrufen, der könnte dann noch übersetzen - und es sind wirklich, also ich arbeite ja in der Geburtshilfe, es sind viele Akutsituationen dabei, viele, wo man auch einmal grundlegend sprechen muss und das ist einfach wirklich eine große, große Barriere.
Das ist für das Personal sehr frustrierend, aber wirklich auch für die Patient:innen gefährlich, kann man nicht anders sagen.
Marthe: Ja. Ja und auch, ich meine es fehlen ja auch vielerorts gute Fachkräfte und ich kann mir gut vorstellen, dass man in einem Arbeitsumfeld, wo man irgendwie auch mit dieser Herausforderung ja so ein bisschen alleingelassen wird und es einfach keine Lösung gibt, dass das natürlich auch frustrierend ist und zu unnötig sein kann und zusätzlich natürlich auch Zeit bindet, wenn man dann irgendwie erst mal den passenden Kollegen auf Station so und so herbeirufen muss oder irgendwie irgendwelche Apps oder…
Pia: Oder das mit Google Übersetzer versucht und gerade keinen Internetempfang hat und solche Dinge -
Marthe: Genau, auch so ein Klassiker, also das ist ja total frustrierend und aufwendig und ja insofern, wie schon gesagt, ist es, glaube ich, für alle Beteiligten eine unzufriedenstellende Situation.
Pia: Ja, total. Was wäre denn so eure Vorstellung jetzt für die nächsten Jahre? Also natürlich, du hast das mit der Koalition und der Gesetzgebung angesprochen, die gerade eben leider nicht so dabei ist, sehr konkret in die Tat umgesetzt zu werden, aber was sind eure Vorstellungen? An was arbeitet ihr weiter oder was würdet ihr gerne erreichen? Was habt ihr noch auf dem Schirm?
Eine flächendeckende, gesetzlich verankerte Sprachmittlung – eine Vision?
Marthe: Ja, also zum einen hoffen wir natürlich, dass die neue Bundesregierung, wie auch immer sie sich dann zusammensetzt, das Thema auch wieder bearbeitet und nicht aus den Augen verliert und dass bestenfalls das Vorhaben, was jetzt nicht umgesetzt wurde, vielleicht in der nächsten Legislatur umgesetzt wird. Aber ja, angesichts der Tatsache, dass es wahrscheinlich auch andere Mehrheitsverhältnisse geben wird ab Februar, als wir sie jetzt haben, bleibt abzuwarten, was sich in die Richtung tut oder ob sich etwas tut. Und abgesehen davon gehen unsere Bemühungen gerade auch in die Richtung, dass wir vermehrt versuchen, Städte und Kommunen, also irgendwie öffentliche Ämter, öffentliche Entscheidungsträger:innen für das Thema zu sensibilisieren. Denn auch wenn es keine Gesetzesgrundlage gibt und auch die Krankenkasse die Leistung nicht abrechnet, erleben wir trotzdem oder gerade deshalb, dass sich zum Beispiel Kommunen dieser Thematik selber annehmen.
Also dass ein Landrat, eine Landrätin weiß, was es für die Gesundheitseinrichtungen in der Region bedeutet, ohne Sprachmittlung zu sein, und dass dafür dann auch ein Budget zur Verfügung gestellt wird, um einen Dienst wie Triaphon oder andere ähnliche Dienste einrichten zu können. Also da sehen wir sozusagen jetzt auf einer anderen Ebene, nicht auf ganz hoher Bundesebene, sondern eher auf regionaler Ebene durchaus Veränderungen, die uns ganz positiv stimmen.
Pia: Ja, so ein bisschen bottom-up, weil die Leute, die ja auch das Problem einfach sehen, so ein bisschen vor Ort sind -
Marthe: Genau, die sind näher dran, sind wahrscheinlich auch oft mit dem Frust konfrontiert, der daraus entsteht, von allen Seiten. Und für uns ist das ein schönes Zeichen, wenn wir dann sehen, dass es ein gewisses Budget gibt, was für Sprachmittlung zur Verfügung gestellt wird und dann das Geld verwendet wird, um zum Beispiel Triaphon einzuführen.
Pia: Ich habe zum Beispiel von eurer Webseite ein Zitat gelesen, wo eine MFA, also medizinische Fachangestellte oder Angestellter, gesagt hat, „Ich arbeite hier am Empfang, ich nutze es wahrscheinlich mit am häufigsten, bin sehr zufrieden, es erleichtert mir hier tatsächlich die Arbeit, da wir wirklich sehr viele Eltern haben, wo eine Sprachbarriere herrscht, und auch unsere leitende MFA und unsere anderen MFAs arbeiten sehr gern mit Triaphon zusammen.“ Und ich habe das Gefühl, dass es irgendwie genauso, wie es eigentlich sein soll, dass man einfach eine gute Kommunikation hat und schon allein die Terminvergabe oder die grundlegenden Sachen, von wegen „Nehmen Sie bitte Ihren Impfausweis mit“ oder solche Dinge, sind halt einfach Sachen, die müssen kommuniziert werden, sonst geht halt wieder wirklich viel Gesundheitsinformation verloren, leider.
Marthe: Absolut, und wir freuen uns auch über solche Rückmeldungen. Wir wissen, dass vorrangig Ärztinnen und Ärzte unseren Dienst nutzen. Wir wollen aber auch ganz explizit auch die Pflege oder die MFA erreichen. Und umso schöner ist es dann, wenn man Feedback erhält aus den Praxen, die MFA berichtet, wie sie Triaphon auch am Empfang schon einsetzen kann.
Pia: Ja, ich finde es immer ziemlich schade zu sehen, dass doch leider nach wie vor in der Medizin relativ viel davon abhängt, wie gut es einem geht oder wie gut man auf dem Weg der Genesung ist, wie stark das familiäre oder freundschaftliche Umfeld so ist.
Und beispielsweise jetzt in der Geburtshilfe ist natürlich häufig in der Nachbetreuung ein Hebammenmangel und auch sowas zu kommunizieren, zu organisieren, eine Nachsorgehebamme für Familien - Und ganz häufig ist es ja auch, dass man das Gefühl hat, das würden jetzt Leute brauchen, die eben sonst nicht so den Zugang haben zum deutschen Gesundheitswesen und eher nochmal eine Hürde daran sehen oder eine Frage haben. Ich habe jetzt das und das Symptom.
Ist das normal? Was soll ich jetzt eigentlich machen? Gehe ich direkt ins Krankenhaus oder nicht? Oder sitze ich es halt noch drei Tage zusammen zu Hause aus? Und das sind irgendwie auch alle Sachen, das kann organisiert werden, aber da ist Kommunikation einfach essentiell. Und auch für Hebammen beispielsweise oder Physiotherapeut:innen in der Nachbetreuung stelle ich mir das wirklich als Gamechanger vor, wenn sowas funktionieren würde.
Marthe: Ja, total. Und genau wie du sagst, es geht ja auch darum, Menschen mit dem deutschen Gesundheitssystem vertraut zu machen. Also in anderen Ländern ist es so, dass man auch mit einer ersten Beschwerde in die Klinik geht, weil das dort so strukturiert ist. Und dieser ganze ambulante Bereich, den wir haben, vielleicht wissen das einige auch nicht, weshalb sie sich eben in der Klinik vorstellen. Und dass man eben auch durch Sprachmittlung in der Lage ist, besser zu kommunizieren, wo die richtigen Anlaufstellen für welche Beschwerden sind und wie Dinge ineinandergreifen und so weiter. Und genau für solche Sachen kann Triaphon natürlich auch eingesetzt werden. Und unsere Erfahrung ist, dass es ganz wichtig ist, wenn man Sprachmittlung in die Einrichtung bringen möchte, dass es eben niedrigschwellig möglich ist, Sprachmittlung hinzuzuschalten sozusagen.
Der eng getaktete Arbeitsablauf in den Kliniken ist uns natürlich bewusst, die Zeitknappheit und so weiter. Und ja, die Vorstellung, dass man sich dann irgendwie neben der eigentlichen Arbeit noch mit irgendwelchen Antragsformularen und Zetteln auseinandersetzen muss, um für Patienten XY in 14 Tagen irgendwie eine Dolmetschleistung einzubestellen –
Pia: Das scheitert einfach an der Realität.
Marthe: Genau, es scheitert an der Realität und insofern ist auch die Idee hinter unserem Dienst, das muss eben schnell sein und überall verfügbar und es darf nicht noch zu viele Ressourcen binden für die Organisation.
Pia: Ich nehme so ein bisschen mit, dass ich das Gefühl habe, der Dienst ist eigentlich da. Es funktioniert sehr gut, aber irgendwie kriegen wir es noch nicht so ganz strukturell verankert.
Wenn du jetzt eine Utopie dir ausmalen dürftest für die Zukunft, wie sähe die aus in dem Gebiet?
Marthe: Ja, ich würde mir wünschen, dass der Einsatz von Sprachmittlung eben nicht mehr auf dem guten Willen von einzelnen Entscheidungsträger:innen basiert. Also von der einen Klinikleitung, die ihr Go gibt und der anderen Klinikleitung, die das verschwendetes Geld findet. Sondern, dass eben unabhängig davon flächendeckend Sprachmittlung zur Verfügung steht für alle, die es benötigen.Und idealerweise ein Angebot besteht aus Vorort-Dolmetschenden für Gesprächsanlässe, die man vorab gut planen kann. Für Gesprächsanlässe, die vielleicht, ja für Gespräche, die etwas länger dauern, die vielleicht auch emotional belastender sind. Wo es gut wäre, wenn jemand vor Ort ist.
Und ergänzend dazu eben Dienste wie zum Beispiel Triaphon über Telefon oder auch Video, die dann für akutere Fälle und spontanere Einsätze zur Verfügung stehen. Also sozusagen ein flächendeckendes Angebot, was finanziert wird und allen zur Verfügung steht.
Pia: Ich hab das Gefühl, das sollte eigentlich schon Standard sein, ist es aber wirklich leider noch nicht. Aber wie schön, dass ihr trotzdem schon in ein paar Kliniken und Gesundheitseinrichtungen vertreten seid und da zu schätzen gewusst werdet oder genau geschätzt werdet. Hast du noch irgendwas, was wir jetzt vielleicht noch nicht angesprochen haben, wo du sagst, da arbeiten wir gerade noch dran oder das wäre mir eigentlich noch wichtig zu sagen zu dem Thema?
Marthe: Also mir fällt manchmal auf, dass ich es doch fast ein bisschen erstaunlich finde, wie wenig auch die Ärzteschaft sich für diese Sache stark macht. Also ich glaube schon, dass die allermeisten ja die Herausforderung kennen. Trotzdem kommt so die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung von Sprachmittlung meistens von irgendwie anderen Verbänden oder Patient:innen oder anderen. Ich persönlich fände es total schön, wenn auch das medizinische Personal klar macht, dass das eigentlich Standard sein sollte, damit auch der Beruf überhaupt angemessen umgesetzt werden kann. Also dass sozusagen auch die Stimmen der Behandler:innen noch ein bisschen lauter werden.
Das fände ich persönlich toll, weil ich glaube, da würde vielleicht auch noch ein bisschen genauer hingehört werden. Weil ja, ihr seid wichtig für alle und wir wollen auch nicht, dass ihr abwandert oder dass die Pflege abwandert. Insofern denke ich, dass man vielleicht auch vermehrt noch formuliert, dass das auch zu guten Arbeitsbedingungen gehört, dass man sich verständigen kann und dass das eigentlich Standard sein sollte.
Das wäre schön. Und ansonsten ja, meine Hoffnung ist, dass es politisch weitergeht und nicht ein bisschen wieder rückschrittig irgendwie verläuft. Und wir würden auf jeden Fall versuchen, uns nach Möglichkeiten da auch wieder in die Debatte einzubringen.
Pia: Vielleicht hilft ja die Folge jetzt ein bisschen, dass der politische Druck erhöht wird und viele Leute von euch oder auch einfach der Notwendigkeit nochmal mehr Wissen oder das Bewusstsein nochmal gestärkt wurde. Weil ich glaube, das haben wir jetzt gemerkt, eigentlich ist die Umsetzung möglich, wenn wirklich die Verankerung auch gewährleistet würde. Und das müssen halt nun mal einfach viele Menschen wollen und unterstützen.
Vielleicht können wir da einen kleinen Beitrag zu leisten mit dieser Folge. Vielen, vielen Dank dir, Marte, für den Einblick in Triaphon. Ich denke, ich muss ganz dringend mal mit meiner Klinik sprechen, ob wir das nicht auch irgendwie realisieren können. Und ja, danke dir für deine Zeit.
Marthe: Ja, vielen Dank für die Einladung und dass ihr euch mit dem Thema Sprachmittlung und Sprachbarrieren beschäftigt. Vielen Dank.
(Outromusik im Hintergrund)
Pia: Vielen Dank euch fürs Zuhören bei dieser wichtigen Folge. Spreadet gerne die Nachricht weiter und abonniert uns auf Instagram oder abonniert unseren Newsletter, der ganz frisch neu rausgekommen ist und erzählt es weiter. Vielen Dank euch und bis ganz bald.
Das war Heilewelt, der Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Vielen Dank euch fürs Zuhören. Wenn wir euch ein bisschen inspirieren konnten, freuen wir uns über eure finanzielle Unterstützung auf unserer Website oder eine Bewertung auf euren Podcastplattformen.
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